Dienstag, 30. Juni 2015

Buch. Die gleißende Welt.

Die gleißende Welt heißt der neueste Roman von Siri Hustvedt, deren letzten Roman Der Sommer ohne Männer ich zuerst mit gemischten Gefühlen, aber dann doch mit Vergnügen gelesen habe. Nun also ein Buch aus der New Yorker Kunstszene, das vom Verlag so beschrieben wird:
«Die gleißende Welt» ist der Titel eines utopischen Romans von Margaret Cavendish, die im 17. Jahrhundert als eine der ersten Frauen überhaupt unter ihrem eigenen Namen publizierte. Als frühe Universalgelehrte ist sie Vorbild und Idol von Harriett Burden, der Witwe eines einflussreichen New Yorker Galeristen. Nach dessen vorzeitigem Tod in den siebziger Jahren beginnt Harriett - in der öffentlichen Wahrnehmung nichts als die Frau an der Seite des berühmten Mannes, aber in Wahrheit hochtalentiert - ein heimliches Experiment: eine Karriere als Installationskünstlerin, die sich hinter dem angeblichen Werk dreier männlicher «Masken» verbirgt, das in Wahrheit sie selbst erschaffen hat. Doch der faustische Handel schlägt fehl - einer dieser Maskenmänner, selbst ein bekannter Künstler, durchkreuzt ihr Rollenspiel und setzt sein eigenes dagegen, und es kommt zum Kampf zweier großer Geister.»
Das trifft es schon, nur ist das lange nicht alles. Zuerst mal verwirrt der Anfang. Das Buch kommt im Format eines wissenschaftlichen Berichts daher, geschrieben von einem(r) Professor(in?) Hess (ich habe keine Stelle gefunden, an der das geklärt ist, und professor ist im Englischen nicht notwendig männlich), aufbereitet aus Tage- und Skizzenbüchern der Hauptperson Harriet Burden, ergänzt um Interviews, schriftliche Äußerungen, Transkripte usw. Es gibt sogar Fußnoten mit Verweisen auf ein (teilweise Pseudo-)-Literaturverzeichnis.
Es geht um die unterschiedliche Wahrnehmung und Bewertung von Kunst, je nachdem, ob sie von Männern oder von Frauen geschaffen wird, aber auch um die Erwartungen und Vorurteile, die wir mit Mann oder Frau verbinden, um die gefühlte Zurückweisung meist der Väter, wenn man nur ein Mädchen ist.
Harriet Burden versucht nun, den "wichtigen" Personen der New Yorker Kunstszene über ein Experiment zu zeigen, dass ihre Beurteilung der Kunst von diesen anti-weiblichen Vorurteilen bestimmt wird, sie will ihre Vorurteile bloßstellen, und erstellt selbst die Werke für drei unterschiedliche Ausstellungen, die Künstler, die genannt werden, sind Strohmänner oder Masken. Nur das coming out klappt nicht so wie gewünscht. Mehr möchte ich über den Inhalt nicht erzählen, nur dass er sehr vielschichtig ist und das Geschilderte nur den Rahmen bildet.
Die unterschiedliche Sprache von Harriet Burden, optimistisch-planend, leicht resigniert zurückblickend, bis zutiefst gedemütigt und deprimiert, vom überheblichen Kunstexperten, von Freunden und Freundinnen mit lockerer bis enger Beziehung zur Hauptperson, von ihren Kindern, von Freunden von Freunden bis zu Professor Hess, nüchtern nach Tatsachen und der Wahrheit suchend, hat mir gut gefallen, die Autorin bekommt das meiner Meinung nach gut hin. Und das Ende hätte so nicht sein müssen und hat mich dennoch sehr berührt, der sehr realistisch geschilderte Krebstod von Harriet Burden, vielleicht weil ich dabei ein persönliches Schicksal aus meiner Umgebung vor Augen habe.

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